13. Mai 2017

Agentur

Quo vadis, Podcast Marketing in Deutschland?

Podcast Marketing in Deutschland

Online-Marketing ist durch einen steten technologischen Wandel geprägt: Marketing Automation und Programmatic Advertising werden dieser Tage als Allheilmittel gepredigt, um die Ansprache relevanter Zielgruppen noch schneller, automatisierter und effizienter zu gestalten. Neue Marketing-Kanäle kommen dabei in rasantem Tempo hinzu. Doch während gefühlt die halbe Branche über Best Practices im Snapchat Marketing und Influencer Marketing spricht, hört man von einem Channel äußerst selten: Dem Podcast.

Dabei ist der Podcast doch ein alter Vertrauter, will man meinen. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Broadcast und Apples iPod zusammen. Denn obwohl die abonnierbaren Audio-Formate uns schon seit über 15 Jahren begleiten, erlangte der Podcast erst mit der Verbreitung des iPods an Bekanntheit. Klar: Auf einmal konnte jeder iPod-Besitzer seine Sendungen mit sich herumtragen und war nicht mehr auf stationäre Geräte angewiesen. In Deutschland dauerte dies wie üblich ein bisschen länger. Während hierzulande lange Zeit hauptsächlich Radiosendungen der Öffentlich-Rechtlichen die iTunes-Charts dominierten, geht die Entwicklung seit 2010 in eine andere Richtung: Eigens für iTunes produzierte Podcast-Formate von hoher Qualität – teils von prominenten Gesichtern.

Best Practice Podcasts in Deutschland

Jan Böhmermann und Olli Schulz sind die unangefochtenen Spitzenreiter im deutschen Podcastmarkt. Ihr Talkformat „Fest & Flauschig“ erreicht mehrere hunderttausend Abrufe pro Folge. Auch Serdar Somuncus „Blaue Stunde“ und Formate mit provokanten Titeln wie „Sexvergnügen“ erfreuen sich steigender Beliebtheit. Für nahezu jede Nische gibt es mittlerweile einen Podcast. Wer über digitale Geschäftsmodelle informiert bleiben möchte, hört „digitalkompakt“. Wer sein Politikwissen vor der Bundestagswahl auf Vordermann bringen möchte, findet mit „Stimmenfang“ ein entsprechendes Podcast-Angebot von SPIEGEL ONLINE. Sogar für Menschen mit Einschlafproblemen bietet die Podcastwelt Abhilfe: Einfach den Einschlafen-Podcast (Achtung, besonders langweilig!) einschalten und wegdösen.

Die Produktion von Podcasts ist zunehmend einfacher geworden. Mittlerweile sind Aufnahmetools wie Audacity frei im Internet verfügbar und Mikrofontechnik erschwinglich. Dennoch: Wer wirklich erfolgreich mit seinem Podcast sein möchte, muss Arbeit, Leidenschaft und nicht zuletzt viel Zeit in sein Projekt stecken. Vom Podcasting leben können in Deutschland die wenigsten. Dabei sind alle Voraussetzungen gegeben: Vertraut man unabhängigen Studien von eMarketer, kauft beinahe jeder zehnte Hörer irgendwann das in einem Podcast beworbene Produkt. Die Conversion-Rates von Podcasts sind damit deutlich höher als etwa im Display Advertising.

Die Radiosendung zum Mitnehmen

Dennoch ist man hierzulande skeptisch. Viele Brands vertrauen dem Podcast als Marketingkanal noch nicht. Das kann damit zusammenhängen, dass man Entscheidern im Unternehmen erst einmal das Medium erklären muss. Mit „Radiosendung zum Mitnehmen und anhören, wann man will“ ist es dabei häufig nicht getan. Ein weiterer Punkt ist die mangelnde Reichweitenmessung: Weder iTunes noch Spotify als etablierte Anbieter geben die Zahlen über abgespielte oder heruntergeladene Episoden aus. Early Adopter auf dem deutschen Markt sind etwa der Matratzenhersteller Casper, Amazons Hörbuchbibliothek Audible oder das SAE Institute in Frankfurt, die bereits heute in vielen Podcasts präsent sind.

Werbung in Podcasts wird in der Regel nativ ausgespielt. Soll heißen: Der Podcaster spricht die Werbung selbst ein. In seinem Sprachstil, mit seinen eigenen Worten. Der Vorteil: Ein Bruch zwischen Erzählformat und Werbemittel wird verhindert. Während Bannerwerbung von Nutzern als Hindernis empfunden und häufig einfach blockiert wird (AdBlock Plus lässt grüßen), scheint das Potenzial für Native Advertising in deutschen Podcasts noch ungenutzt.

Wo geht es also hin mit dem deutschen Podcast? Es ist eine zunehmende Professionalisierung festzustellen. Immer mehr Medienmarken drängen mit eigenen Formaten auf den Markt und auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stecken zunehmend eigenes Budget in Podcasts. Besonders interessant finde ich die NDR-Crime-Produktion „Der talentierte Mr. Vossen“, die die Spuren des plötzlich verschwundenen Multimillionärs Felix Vossen in ganz Europa verfolgt. Die Zeiten von Podcasts als Abfallprodukt der Radioproduktion sind definitiv vorbei!

Raus aus der Nische

Aber nicht nur die Produktionsqualität von Podcasts werden steigen. Die ständige Verfügbarkeit von schnellem Mobilfunk und steigende Datenvolumen sorgen dafür, dass Podcasts vom Gerät entkoppelt werden. Die Audiobeiträge können auch unterwegs abgespielt werden – ein lästiges Herunterladen entfällt. Im Rahmen der Professionalisierung setzen immer mehr Podcaster auf Crowdfunding. Über Portale wie Patreon ist es möglich, Medienproduzenten über einen langen Zeitraum hinweg monatlich zu unterstützen. Jochen Gebauer und André Peschke (ehemalig leitende Redakteure des Spielemagazins GameStar) finanzieren auf diese Weise etwa „The Pod“, das erste Spielemagazin zum Hören. Solche Strategien sind nachhaltiger als ein einmaliger Spendenaufruf – und sichern bereits heute die hohe Qualität von vielen Nischenpodcasts.

Ob damit auch eine Etablierung von Podcast-Werbung einhergeht, wird im Kern davon abhängen, wie erfolgreich die Kampagnen von Casper, Audible und Co. bewertet werden. Und wann die ersten deutschen Brands den Mut sammeln werden, in Podcast Marketing zu investieren. Immerhin: Matratzenmacher Casper arbeitet in den USA schon seit über zwei Jahren mit hochkarätigen Podcastern wie Bill Simmons zusammen und hat für seine Marketingstrategie branchenweit Anerkennung erhalten. Es bleibt spannend, wie der schnelllebige Podcast-Markt in zwei Jahren hierzulande aussehen wird. In diesem Sinne: Keep on listening!

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