Die Bundestagswahlen rücken immer näher. Am 24. September entscheidest du dich für eine Partei, die dich mit ihren Inhalten überzeugt hat. Doch wie hast du den Wahlkampf eigentlich wahrgenommen? War es das Plakat am Laternenmast, der Flyer im Briefkasten oder doch die Werbung in den Sozialen Medien, die dir am meisten ins Auge gestochen ist? Aktuell im Trend bei den Online-Wahlkampftaktiken der Parteien: Facebook Microtargeting und Dark Ads in Social Media. Schon im US-Wahlkampf zwischen Trump und Clinton viel genutzt, schwappt diese Taktik immer mehr in die deutsche Politik über und findet auch hier häufige Verwendung bei den Parteien. Wir erklären, was es mit Microtargeting auf sich hat.
Gezielte Werbung an potenzielle Wähler mit Facebook Microtargeting
Microtargeting im politischen Kontext – das kann am besten als exakt personalisierte Wahlwerbung beschrieben werden, die auf die Profile bestimmter Wählergruppen zugeschnitten ist. Wer potenzielle Adressaten für diese personalisierte Wahlwerbung sein könnten, wissen die Parteien aus Datenanalysen. Solche Datensätze könnten beispielsweise von Datenaggregatoren wie Acxiom und Epsilon oder der eigenen Datenbank kommen. Relevante Daten für die Analyse wären unter anderem die Namen und Adressen von Wählern sowie deren zurückliegende Wahlentscheidungen, persönliche Meinungsäußerungen über politische und unpolitische Themen, soziale Interaktionen und kulturelle Interessen oder soziodemografische Faktoren.
Wenn beispielsweise Person X eher konservativ eingestellt ist und häufig Beiträge mit solch politischem Kontext likt, teilt oder kommentiert, landet sie in einem Datentopf und bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das Facebook Microtargeting Werbung von konservativen Parteien ausgespielt.
Dies erhöht natürlich nur die Wahrscheinlichkeit, irgendwann in seiner eigenen Echokammer, auch Filterblase genannt, zu sitzen und andere Meinungen auszuschließen.
So haben Parteien die Möglichkeit, salopp gesagt, den Leuten genau das auszuspielen, was sie hören wollen.
Hier wirbt die FDP beispielsweise auf Facebook mit dem Ausbau des Breitbandinternets, versehen mit dem Kultcharakter “Heisenberg” aus Breaking Bad. Empfänger dieser Werbung waren “Leute, die sich für Netflix interessieren”. Also Nutzer, die Netflix oder gewisse Exklusivserien gelikt haben. Besonders empfänglich für diese potenziellen Beeinflussungen sind Wechselwähler.
Wird durch Facebook Microtargeting Werbung an potenzielle Wähler verschickt, spricht man vom “Instant Influence”. Hier wird mit einen Reiz versucht, die adressierte Zielgruppe zu einer gewünschten Reaktion zu veranlassen. Werden die Inhalte dann noch von den Politikern aus Überzeugung erstellt oder sind sie nur noch eine Antwort auf den Algorithmus?
Ganz so personalisierte Botschaften wie in den USA sind in Deutschland allerdings nicht möglich. So adressierte das Wahlkampfteam von US-Präsidenten Trump ein Video von Hillary Clinton aus dem Jahr 1996, in der sie den rassistischen Begriff “Super Predators” verwendete, direkt an Afro-Amerikaner. Das deutsche Datenschutzgesetz bietet für solch präzises Targeting weniger Handlungsspielraum.
Mit Dark Ads Zielgruppen ansprechen – verborgen vor der Öffentlichkeit
Im Gegensatz zu den durch Facebook Microtargeting veröffentlichten Posts sind die sogenannten Dark Ads nicht in der Chronik der Partei zu finden, sondern werden der Zielgruppe nur im Newsfeed ausgespielt. Genutzt wird diese Methode mittlerweile von allen Parteien.
Das Problem mit den Dark Ads im Wahlkampf: Unsichtbare Medienkampagnen können von der Öffentlichkeit nicht kritisch hinterfragt werden und so auch keinen Diskurs anregen. Wahlplakate stehen in der Öffentlichkeit und können von Journalisten angeprangert werden, sollten sie inhaltliche Defizite aufweisen. Bei Dark Ads fällt diese Kontrollinstanz weg. Meinungspluralismus ist da also Fehlanzeige und einseitige Diskussionen geradezu erwünscht. Im Prinzip also eine recht einfache Methode, um auf Wähler Einfluss zu nehmen.
Diese Intransparenz könnte etwa dafür sorgen, Negativwerbung auszuspielen, die andere Kandidaten verleumdet, oder Bürgern gezielt Anreize zu geben, an der Wahl nicht teilzunehmen. Dies wird auch “asymmetrische Demobilisierung” genannt. Und das ganz vor Ausschluss der Öffentlichkeit, ähnlich wie es bei den Wahlen in den USA der Fall war. Weiterhin könnten sich Parteien in ihren Botschaften an verschiedene Zielgruppen widersprechen, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen würde.
Unser Tipp: Selbst Licht ins Dunkel bringen
Facebook versäumt es als Plattformbetreiber gerade hier, die Inhalte zu moderieren. Ob sich Parteien nun komplett in verschiedenen Anzeigen widersprechen, ist laut Werberichtlinien egal. Deswegen müssen sich Nutzer wohl selbst darum kümmern, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Das funktioniert unter anderem über Browser Add-Ons wie “who targets me” oder “ProPublica”. Diese prüfen automatisch , welche Werbeanzeigen dem Nutzer eingespielt werden. Diese werden dann beispielsweise bei “ProPublica” in unpolitische und politische Anzeigen gefiltert. Die politischen werden auf einem eigenen Server gespeichert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, sodass Parteien diese im Nachhinein nicht einfach löschen können – wie dies bei Dark Ads der Fall ist.
Doch auch Nutzern von Twitter ging vor ein paar Wochen ein Licht auf, indem sie für Klarheit sorgten – ganz ohne Browser Add-Ons. Dort wurden die User dazu aufgerufen, unter dem Hashtag #politikads Screenshots von Parteienwerbung zu veröffentlichen, die ihnen auf Social-Media-Plattformen angezeigt wurde – am besten gleich inklusive Targeting-Kriterien.
Wir wünschen einen klaren Kopf beim Wählen!