Anfang der 90er-Jahre war Yahoo noch eine der ganz großen Hoffnungen am Internet-Himmel, jetzt wurde der Konzern von Verizon aufgekauft. Für nicht einmal fünf Milliarden Dollar. Wie konnte es dazu kommen? Was hätte Yahoo für die Erhaltung seiner Eigenständigkeit tun können?
Jerry and David’s Guide to the World Wide Web
1994 war das Internet noch nicht das Informationsnetzwerk, wie wir es heute kennen. An Suchmaschinen wie Google war noch nicht zu denken. Tatsächlich verfügten die wenigsten Firmen über eine eigene Website. Als Jerry Yang und David Filo sich 1994 auf neuen Boden wagten, den neu entstehenden Domains händisch Kategorien zuzuordnen, trafen sie auf reges Interesse. Schnell wuchs „Jerry and David’s Guide to the World Wide Web“, wie sich der Konzern zu seinen Anfängen nannte, zu einer Datenbank mit hunderttausenden Einträgen heran. 1995 wurde der Konzern in Yahoo umbenannt und ging an die Börse. Bis 2000 konnten die Firmengründer dann auf 16 weitere nationale Märkte expandieren.
Ihre Strategie war einfach: Biete dem User alles aus einer Hand, was er benötigt. So vereinte Yahoo einen kostenlosen E-Mail-Dienst, Online-Kalender und viele weitere nützliche Online-Services unter einem Dach. Dadurch, dass Yahoo regelmäßige Nutzer vorweisen konnte, waren Werbetreibende interessiert – und diese finanzierten das Unternehmen lange Zeit.
Ab der Jahrtausendwende wurde der Konkurrenzkampf mit großen Internetunternehmen wie beispielsweise Google immer gravierender. Der ehemalige Internet-Pionier konnte weder mit im Textfluss integrierter Werbung noch mit eigenen Diensten wie HotJobs und Yahoo Maps langfristig mithalten.
Verizon auf Internet-Shoppingtour
Wo neues Gebiet erschlossen wird, ist man selten lange alleine. Das merkten auch die Pioniere recht schnell, als sie es verpassten, mit Weggefährten wie Google zu konkurrieren. Während andere Unternehmen durch den Siegeszug der Smartphones Milliarden einfuhren, reagierte der schwerfällige Internetriese meist zu spät auf aktuelle Trends und Entwicklungen. Ein Beispiel: Yahoo öffnete seine E-Mail-App erst vergangenes Jahr für andere Provider wie Gmail oder Outlook.
Zuletzt setzte Yahoo auf digitale Magazine aus den Bereichen News, Sport, Lifestyle und Finanzen, für die namhafte Journalisten verpflichtet wurden. Trotz aller Bemühungen (unter anderem der Entlassung von 15 Prozent aller Mitarbeiter) ließ sich die Talfahrt nicht stoppen – letztendlich wurde Yahoo vom Telekommunikationskonzern Verizon aufgekauft. Für nicht einmal fünf Milliarden US-Dollar. Ziemlich erschreckend, wenn man betrachtet, dass Microsofts Angebot von fast 48 Milliarden Dollar im Februar 2008 dankend abgelehnt wurde. Auch ein Blick auf die Aktienwerte verdeutlicht den Fall: Die Yahoo-Aktie konnte zu Beginn des Jahrtausends noch 120 Euro verzeichnen. Mittlerweile sind die Pioniere aus Kalifornien bei etwa 35 Euro angekommen. Hauptkonkurrent Google wird gegenwärtig für 700 Euro gehandelt, die Facebook-Aktie steht bei 113 Euro. Tendenz steigend.
Verizon scheint seine eigenen Einbußen am Internet-Markt mit dem Kauf von Yahoo und der Zusammenlegung mit AOL gutmachen zu wollen. Der Internet-Dino, der in den 90ern „America online“ brachte, gehört bereits seit 2015 zum Verizon-Konzern. Die Konkurrenz ist klar: Die US-Telco schielt in die Richtung von Google und Facebook und möchte ganz oben mitspielen. Ob das mit Yahoos Geschäftsmodell funktioniert, ist allerdings fraglich: Während Google und Facebook im Internet mit YouTube, Instagram und Co. gezielt Plattformen für die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen anbieten, gibt es bei Yahoo eine zentrale Seite für alles. Wetter, Mail, Nachrichten, Videos auf der Startseite – der Begriff Reizüberflutung wird neu definiert.
Wenn zwei sich streiten, freut sich Mozilla
Gerüchten zufolge laufen die Verträge zwischen Yahoo und der Browserschmiede Mozilla noch bis 2019. Mit denen hat sich Yahoo als vorinstallierte Suchmaschine im Firefox-Browser eingekauft. Der Deal sieht vor, dass 375 Millionen Dollar im Jahr trotz Verkaufs gezahlt werden. Mozillas Zukunft scheint vorerst gesichert. Wie sieht es aber mit der Zukunft des einstigen Vorreiters aus dem Silicon Valley aus? Schon im Januar wurden Umsatzeinbrüche vorhergesagt. Letztendlich kommt es wohl darauf an, was Verizon jetzt aus dem Unternehmen rausholen kann und ob die Marke Bestand haben wird. Erste Mitarbeiter auf Chef-Ebene kündigten an, den Konzern nicht verlassen zu wollen.
CEO Marissa Mayer sieht es positiv. Gerüchten zufolge winkt ihr eine Abfindung von 50 Millionen US-Dollar. Trotzdem gab sie an, bei Yahoo bleiben zu wollen.
Verizon to acquire Yahoo’s operating business – yahoo: Today is a big day for Yahoo! This is the email… https://t.co/Lepxlr44AQ
— marissamayer (@marissamayer) 25. Juli 2016
Die Geschichte des ehemaligen Internet-Pioniers ist eng verbunden mit nicht wahrgenommenen Investitionen. So gab es für Yahoo mehrfach die Möglichkeit, Google, Facebook und andere Unternehmen zu kaufen. Das erfolgreichste Jahr für Yahoo war 2008 mit einem Umsatz von 7,2 Milliarden Dollar. Die Absicht des Unternehmens, mit Yahoo Screen in die Streaming-Branche einzusteigen, blieb ohne Erfolg. Zwar sind 15 Millionen User keine kleine Zahl, jedoch wurde erneut versucht, in einen bereits gesättigten Markt einzusteigen.
Bye bye, Yahoo
Yahoo hat es versäumt, sich frühzeitig von hart umkämpften Märkten wie dem Online-Anzeigenmarkt zurückzuziehen und eigene langlebige Services aufzubauen. Der Internetpionier wollte überall mitmischen und hat im mobilen Web schlicht den Anschluss verloren. Eine klare Identität des Unternehmens war für viele Benutzer zuletzt nicht mehr erkennbar. Yahoos Schicksal zeigt erneut die Relevanz von einer fest umrissenen Markenidentität und dem Bewusstsein darüber, wie die Markenwerte eindeutig kommuniziert werden können.