16. September 2021

Social Media

Bundestagswahl ’21: Damit werben die Parteien auf Facebook

Die Bundestagswahl 2021 steht vor der Tür: In weniger als zwei Wochen entscheiden die BundesbürgerInnen über die Zusammensetzung des nächsten Bundestages. Selten war es so knapp wie dieses Mal. Dabei kommt dem digitalen Wahlkampf eine besondere Rolle zu.

Inhaltsverzeichnis

Bei den letzten Bundestagswahlen 2013 und 2017 war es im Vorhinein relativ klar, dass Angela Merkel im Amt bleiben wird. Dieses Jahr werden die Karten allerdings neu gemischt. Angela Merkel wird nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen, die Union wird voraussichtlich erheblich schlechter abschneiden als noch vor vier Jahren. Das öffnet eine Machtoption für die Grünen und die SPD, die auch auf Facebook um jede Stimme kämpfen. Es könnte ein enges Rennen um Platz 1 geben.

Grund genug für uns, die Facebook- und Instagram-Kampagnen der im Bundestag vertretenen Parteien einmal genauer anzuschauen. Womit werben die Parteien? Welche Zielgruppen werden angesprochen? Wer gibt am meisten Geld für Facebook-Werbung aus? Los geht’s mit unserem persönlichen Blick auf die Parteiwerbung im Netz.

Worum geht’s inhaltlich bei den Parteien?

Natürlich legt jede Partei im Social Web einen eigenen Schwerpunkt. Einerseits wird dieser durch das jeweilige Wahlprogramm begründet, es lassen sich allerdings auch ganz klar die Stammwählerschaften der jeweiligen Parteien ausmachen. Gehen wir den Bundestag doch einmal der Reihe nach durch:

CDU / CSU

Die Christlich Demokratische Union hat im Rahmen der Bundestagswahl viele klassische CDU-Themen bespielt: Bessere Arbeitsbedingungen für Polizei, Förderung der Familie, Wirtschaftsförderung zur Schaffung einer klimafreundlicheren Industrie. Was innerhalb der letzten Wochen jedoch zugenommen hat, sind Negativbeiträge zu den Sozialdemokraten und den Grünen. Bei diesem sogenannten “Negative Campaigning” geht es nicht etwa darum, für die eigenen politischen Ideen zu werben, vielmehr wird der politische Bewerber schlecht dargestellt. Ziel von “Negative Campaigning” sind nicht notwendigerweise Stimmen für die eigene Partei: Hierbei geht es darum, Menschen davon abzuhalten, für die konkurrierenden Parteien zu stimmen.

So wird den Grünen beispielsweise vorgeworfen, Deutschland mit Verboten wie dem Tempolimit “auszubremsen”, während die CDU in “Smarte Mobilitätskonzepte” investieren will. Die SPD habe ein Misstrauen gegenüber deutschen Sicherheitsbehörden, die Union vertrete das genaue Gegenteil. Die bayerische Schwesterpartei geht sogar noch einen Schritt weiter und prophezeit uns einen “Linksrutsch von A bis Z” mit konservativen Albträumen wie Flugverboten, Genderzwang und ungehemmter Migration nach Deutschland. Die lang tot geglaubte “Rote-Socken-Kampagne” gegen Rot-Grün-Rot lebt auch in den Facebook- und Instagram-Ads weiter.

SPD

Der Wahlkampf der SPD hat dieses Jahr genau ein Gesicht: Olaf Scholz. Alles ist auf den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten zugeschnitten, so natürlich auch die Facebook Anzeigen. Seit Anfang Juli haben die Sozen insgesamt 52 Social-Media-Kampagnen geschaltet, nur 7 Beiträge davon kommen ohne das Gesicht von Olaf Scholz aus. Die Plakatstrategie der SPD wird hier konsequent in die Online-Welt übertragen: Teilweise finden sich in den Facebook Ads die gleichen Motive wie auf den Plakaten. Das stärkt natürlich den Wiedererkennungseffekt, für Social Campaigns wirkt dies aber etwas statisch. Inhaltlich gibt es wenig Überraschungen: Die Sozialdemokraten werben für 12 Euro Mindestlohn, sichere Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum und andere sozialpolitischen Schwerpunkte.

Die Scholz-Armee auf Facebook bläst zum Angriff auf die Umfragen

BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN

Die Grünen hatten wir ja bereits im Kontext von Negativbotschaften seitens der CDU gestreift. Schmutzige Kampagnen gegen den Mitbewerber konnten wir bei den Grünen allerdings nicht finden. Hier steht selbstverständlich der Klimaschutz im Vordergrund. Die Inhalte des Wahlprogramms werden mal mit und mal ohne Kanzlerkandidatin Baerbock vermittelt. Auffällig ist, dass Baerbock quasi gar nicht allein, sondern immer im Team mit Robert Habeck auf den Anzeigen zu sehen ist. Die Message lautet: Bei den Grünen wählt man die Team-Lösung.

Ansonsten werden auch bei der Nachhaltigkeitspartei die Botschaften rund um bekannte Motive orchestriert: Junge Familien werben für bezahlbaren Wohnraum, junge Frauen vom Typ Fridays for Future für mehr Tempo beim Klimaschutz und ein junger schwarzer Mann für mehr Toleranz in der Gesellschaft. Beinahe jedes Wahlmotiv wird mit einem Hinweis zur Briefwahl geschmückt. Kein Wunder, in Studien geht man davon aus, dass die Grünen von der in diesem Jahr massiv gestiegenen Briefwahl am meisten profitieren werden. Corona lässt grüßen.

FDP

Seitdem Christian Lindner das Ruder übernommen hat, gibt es den Wahlkampf der Liberalen vornehmlich in Schwarz-Weiß. Von der generellen Bildästhetik weicht die FDP auch beim Bundestagswahlkampf nicht ab: Schwarz-Weiße Realfotos, markante Forderungen in knalligen Farben darüber. So sehr kandidatenfixiert wie die SPD ist der Wahlkampf hier allerdings nicht: Neben dem Spitzenkandidaten Lindner kommen auch andere liberale Gesichter wie Volker Wissing oder Johannes Vogel zum Zug. Auch bei den Inhalten bleibt sich die FDP treu: Steuererleichterungen, eine Aktienrente, weniger Bürokratie und ein eigenes Bundesministerium zu Themen der digitalen Transformation.

Was an den Anzeigen auffällt, ist, dass die Liberalen sich Mühe geben, ihre Forderungen zu erklären: Die Anzeigentexte sind bei der FDP mitunter am ausführlichsten.

Noch ein Wort zu den Videos: Ja, der Schwarz-Weiß-Spot zur NRW-Wahl 2017 war toll und anders, aber irgendwann müsste man sich audiovisuell dann mal etwas anderes einfallen lassen. Während die anderen Parteien neue Spots im Fernsehen laufen haben, sehen wir das (zugegeben sehr stimmungsvolle) Wahlkampfvideo der FDP jetzt in leicht abgeänderter Form schon zum dritten Mal.

DIE LINKE

Böse Zungen würden sagen, bei der Linken sieht man in diesem Wahlkampf klassische Klientelpolitik: Absicherung für Geringverdiener, Mindestlohn 13 Euro, kostenloser Nahverkehr für alle. Der Fokus bei der Linkspartei ist klar erkennbar. Audiovisuell wird das Ganze in kurzen Explainer-Videos und Bildchen verpackt, die auf uns ziemlich zusammengewürfelt wirken. Ein einheitliches Corporate Design sieht auf jeden Fall anders aus.

Anders als die anderen Parteien bitten die Linken auf einer Vielzahl ihrer Anzeigen nonchalant um Geldspenden für den Bundestagswahlkampf. Das ist nicht weiter verwunderlich, ist die Linke doch die einzige Partei im Bundestag, die auf Parteispenden von Konzernen und Lobbygruppen verzichtet. Hier muss also noch das Kollektiv ran – bei den Linken bleibt vieles beim Alten.

Neben ein paar provokanten Absetzungsposts in Richtung der FDP (Thema Parteispenden) ist das Targeting der Linkspartei spannend: So werden einzelne Beiträge gezielt an die betreffenden Zielgruppen ausgesteuert, die dann auch nur Mitglieder der Zielgruppe zu Gesicht kriegen. Dadurch ist es den Linken möglich, Ihre Botschaften an den Mann oder die Frau zu bringen, auch wenn sie die Partei mit dem kleinsten Werbebudget sind.

Das Bekenntnis zu Ostdeutschland sehen beispielsweise nur Ostdeutsche, die Forderung nach sicheren Renten richtet sich primär an die Leute, die es betrifft: Junge Menschen zwischen 25 und 34 Jahren. Dieses System nennt sich Microtargeting – ein Begriff, der im Zuge der US-Wahl 2016 negativ in die Schlagzeilen geraten ist. Damals formulierte das Team um Donald Trump persönliche zugeschnittene Wahlversprechen für einzelne Wählerschichten, die sich teilweise untereinander widersprachen. Dieser Missbrauch von zielgerichteten Werbeanzeigen war ein Grund für Facebook, an der Transparenz seiner Werbeplattform zu schrauben. Dies ist bei den Linken übrigens nicht der Fall, die Inhalte der Ads entsprechen dem Wahlprogramm der Linkspartei.

Alternative für Deutschland (AfD)

Nicht ganz zufällig wenden wir unseren Blick zum Schluss an den rechten Rand: Lange Zeit hieß es von politischen Beobachtern, dass die AfD das Spiel mit Social Media besonders gut verstanden hätte.

In der Tat hat die AfD mit 512.000 Personen mit Abstand die meisten Fans auf Facebook. Die Forderungen nach mehr Sicherheit, weniger Migration und generell ein wenig “Es soll alles werden wie früher” werden mit markigen Spruchtafeln auf den Punkt gebracht und durch die Zielgruppe der AfD eifrig geteilt. Die durchgehende Verwendung von Stockfotos ist auffallend. Für die Hot Topics der AfD wollten sich wohl weniger Schauspieler vor der Kamera ablichten lassen.

Auch die Alternative für Deutschland fährt auf ihrer Facebook-Seite eine Microtargeting-Strategie: Einzelne Botschaften werden in Ads-Kampagnen gegossen und zielgerichtet an einzelne Anspruchsgruppen ausgespielt. Beispiele gefällig? Die Forderung nach “deutscher Leitkultur” richten die Rechtskonservativen ausschließlich an junge Männer, den Post zum Tempolimit nur an Autofahrer (Spoiler: Die AfD ist dagegen.), die Beiträge zu angeblichen Massenvergewaltigungen interessanterweise auch hauptsächlich an Männer. Vielleicht im Facebook Ads Manager mit der Maus verrutscht, wer weiß. 😉

Übrigens: Die AfD ist die einzige Partei, bei der wir über einige gesperrte Facebook-Anzeigen gestolpert sind. Facebook verweist bei den Anzeigen auf einen Verstoß gegen die Werberichtlinien des Netzwerks.

Wer steckt am meisten Geld in Facebook Ads?

Bei dem Blick auf das investierte Mediabudget fällt ein gewisses Ungleichgewicht ins Auge. Während die Union in den letzten 24 Monaten über 650.000 EUR in Facebook-Anzeigen investiert hat, liegt das Budget bei den Linken nur bei 50.000 EUR. Die Grünen haben mit 330.000 EUR für diesen Bundestagswahlkampf auch verhältnismäßig tief in die Tasche gegriffen, wenn man bedenkt, dass das Gesamtbudget der Wahlkampfkampagne insgesamt bei nur 10 Millionen liegt. Im Konrad-Adenauer-Haus liegt das Budget für den Bundestagswahlkampf 2021 in etwa doppelt so hoch.

Dass die Linken mit Abstand am wenigsten Werbebudget zu Facebook und Instagram schieben, verwundert nicht. Fordern die Linken doch regelmäßig die Zerschlagung der großen US-Konzerne aus dem Silicon Valley – Facebook miteingeschlossen.

Wahlkampf auf Facebook: Die heiße Phase hat begonnen

Die letzten Wochen des Wahlkampfs sind naturgemäß die hitzigsten. Das spiegelt sich auch in den Anzeigenkampagnen der Parteien wider. Gerade von konservativer Seite wird mit harten Bandagen und schmutzigen Posts gegen die Konkurrenz gekämpft, um dem momentanen Umfragetief entgegenzuwirken. Die Inhalte entsprechen zu großen Teilen den gegenwärtigen Plakatkampagnen, hier wird nicht wirklich das diskursive Potenzial von Social Media ausgespielt. Auch Videos kommen für unseren Geschmack deutlich zu kurz. Budgettechnisch ist bei den Kampagnen sicherlich noch einiges an Luft nach oben. Im Vergleich zur klassischen Markenkommunikation von großen Brands erscheinen die Werbebudgets der Parteien von unter einer Millionen Euro doch eher gering. Welche Auswirkungen die letzten beiden Wochen auf das Wahlergebnis haben werden, bleibt abzuwarten. Laut einer aktuellen INSA-Umfrage haben sich drei Viertel der Deutschen bereits entschieden.

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Tobias Lübke

Als Google-Ads-Professional verantwortet Tobias den Bereich Search Engine Marketing der Agentur. Wenn er gerade nicht auf der Suche nach dem perfekten Ranking ist, optimiert er Conversion- und Analytics-Prozesse beim Kunden.

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